Meter Mütze privat
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Hauptsache Puls. Und Klopapier 🧻🧻🧻
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Hauptsache Puls. Und Klopapier 🧻🧻🧻

Vor drei Wochen habe ich mich in die Selbstisolation begeben. Zurück in die Wohnung, in den eigenen Body habe ich mich zurückgezogen, von der Bewegung her so, wie man Socken zusammenfaltet. Klopapier habe ich ausreichend. Hatte ich schon immer ausreichend. Zwei der sechs Kartons meines letzten Umzugs waren ausschließlich mit Klopapierrollen gepackt, das war mir fast ein wenig unangenehm. Zumal diese Kartons wirklich sehr schwer waren. Das glaubt man ja gar nicht, ist ja nur Papier, denkt man. Manche von euch kennen das vielleicht von Büchern. Vielleicht. Ich hänge auch nur noch am Handy ab, und das inzwischen unrasiert, verfusselt, aber guter Dinge.

Hier ein paar Bilder aus meinem Leben mit Klopapier. Das bin ich:

Mein Flur:

Auf dem Bett:

Auf der Toilette:

Warum kaufen die Leute so viel Klopapier?, fragte ich auch Esteban von Spanien. Esteban sagt, die Toilette ist der Ort, an dem wir uns am verletzlichsten fühlen. Denk an Filme, Kino, Serien, Meter, sagte er, alles wird gezeigt, Gewalt, Sex, Flensburg, aber niemals wie jemand auf der Toilette sitzt.

Als Selbstständiger erreicht der lange Schatten des Coronavirus langsam auch mich. Dabei tue ich alles, um ans Licht zu kommen. Jeden Abend um 21 Uhr klatsche ich für die Pflegekräfte, damit sie kein höheres Einkommen erhalten und meinen Krankenversicherungsbeitrag nicht unnötig in die Höhe treiben. Letzten Sonnabend gar parallel zur Earth Hour am dunklen, aber offenen Wohnzimmerfenster.

Ich kaufe bei allen Geschäften im Viertel Gutscheine, dass ich den Überblick längst verloren habe und die nächsten 4 Jahre auf Gutschein ALLES machen kann. Immerhin spare ich mir damit die Inflation (oder?). Clever.

Mit Tupperdosen laufe ich tagsüber die Cafés und Restaurants ab, kaufe alles to go was zum gehen geht und bombe es zu Hause ins Tiefkühlfach. Hier überteuertes Craftbeer für Zwerge und Orks, da einen Kaffee, dort eine Fuchsfelltasche für den Fahrradlenker.

Wie ein Polizist, der bei ausgefallener Ampelanlage einspringt und den Verkehr lenkt, halte ich den Cashflow aufrecht, lasse es laufen. Euro-Bonds im Kleinen, ganz nach Warren Buffets Worten: You only find out who's swimming naked when the tide goes out.

Körperlich befürchte ich während des Stillstands eine Gewichtszunahme im Umfang des prognostizierten Wirtschaftsrückgangs. 8% sagt Peter Altmaier, der schon so manche Rezessesion in sich hineingefressen hat und es wissen muss. Warum Jura studieren, wenn es dann nur für die CDU reicht? Peter Altmaier, mein Viertel und ich, werden nach Corona anders aussehen. Besonders die Scooter werde ich vermissen. Und Karstadt.

Ich wünschte, ich könnte an den großen Schrauben drehen. Leider beherrsche ich kein Musikinstrument außer unregelmäßiges Klopfen. Schnelles unregelmäßiges Klopfen, langsames unregelmäßiges Klopfen. Man könnte auch von einer unbeholfenen Transposition sprechen. Wie einst Beethoven sitze ich nun am Wohnzimmertisch und transponiere Klopfgeräusche. Eine kleine Terz nach oben, eine übermäßige Quarte nach unten.

Tock

Tocktock

Tock

Bis ich wie ein Jazz-Orchester den Groove gefunden habe und der Wohnzimmertisch zu schweben beginnt. Nicht viel, nur wenige Millimeter über dem Boden, aber nun kann ich endlich unter den Tischbeinen saubermachen, ein Gedanke, der mich seit einigen Tagen nachts unruhig schlafen lässt. Unter das Tischbein, unter das Tischbein muss ich, putzputzputz.

Jetzt lache ich, während ich es niedertippe, jetzt habe ich es ja geschafft. Corona, schreibe ich, ist eine Kopfkrankheit.

Diesen Wohnzimmertisch hatte ich vor der Quarantäne gar nicht wahrgenommen, hatte eher nebenbei Dinge darauf abgelegt, ganz unbedacht mich rangesetzt. Aber dann eines morgens nach dem Aufstehen war alles anders. Die zweite Woche zu Hause und die Wohnung war mir fremd und nah gleichzeitig vorgekommen, so wie eine alte Freundin, die ich lange nicht gesehen hatte. Und dann war da dieser Tisch im Wohnzimmer und ich fragte mich, ist es ein Esstisch oder ist es nur ein Tisch, an dem man isst? Ein schöner Tisch, denke ich jetzt, daran sitzend, zweifellos. Das Holz, die Maserung, so echt, so voll da, als wäre es der erste Tisch der Welt.

Aber ich schweife ab.

Most people ignore poetry because poetry ignores most people

I thought I saw your mother last weekend in the park

It could've been anybody, it was after dark

Aus Light Years von Matt Berninger

Cleansing Brush von BINU

Ich war privat unterwegs. In einem Geschäft für Naturkosmetik fiel mir diese Bürste in die Hand.

Es ist die angenehmste Bürste, die meine Pianistenhände je berührten. 450.000 Carbonfasern, die meine 10 Finger umschmeichelten. Nach einiger Zeit des Fühlens und Streichelns kam eine Kosmetikerin auf mich zu. Draußen war es schon dunkel geworden und sie würden gleich schließen. Ja, die Bürste. Die würde porentief und ohne Strom reinigen. Ohne Strom? fragte ich. Ja, ohne Strom. Dann mit Diesel? Nein, auch nicht mit Diesel. Wie funktioniert dieses Gerät DANN? Wir schließen gleich, wiederholte sie und ich kaufte die Bürste.

Ich liebe sie. Und sie liebt mich.

Vorteile von Bürsten

  • Drängen einem keine Gutscheine auf

  • Verbrauchen kein Datenvolumen

  • Wollen nicht plötzlich Videotelefonate machen

  • Haben ein 360°-Pony, das nie geschnitten werden muss

Ich wachse zu - haltet durch!

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Es geht um mein Leben. Privat und mit Bildern.
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